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Steve Guerdat

Alle Zeichen stehen auf Erfolg

mercredi 6 février 2008

Stolz führt der Springreiter Steve Guerdat durch die schönen Stallungen auf dem Rütihof bei Herrliberg in Zürich: Auf der Reitanlage des vermögenden Financiers Urs E. Schwarzenbach hat der smarte Jurassier nicht nur allerbeste Trainingsbedingungen sondern nach turbulenten Zeiten auch ein neues Zuhause gefunden.


Zwar vermisst er seine Familie und seine Freunde in der Romandie ein bisschen, aber sonst hat sich Steve Guerdat, der als einer der talentiertesten Springreiter der Welt gilt, im zürcherischen Herrliberg gut ein gelebt. «Ich fühle mich wohl hier», sagt der 25-jährige und spricht mit merklicher Begeisterung über sein neues Domizil. «Die grosszügige, moderne Anlage erfüllt alle Voraussetzungen, damit ich meinen Sport erfolgreich ausüben kann.»
 
 
Oberholzer vermittelte

Urs Oberholzer, der Präsident des Schweizerischen Pferdesportverbandes SVPS, der wie Ex-Bundesrat Christoph Blocher in Herrliberg wohnt ist, hat vermittelt, als Steve Guerdat Mitte 2006 ohne Pferde, ohne Stall und ohne sportliche Perspektiven dastand und seine Karriere zu verkümmern drohte. Er stellte die Kontakte zwischen zum Zürcher Financier und leidenschaftlichen Polospieler Urs E. Schwarzenbach her. Schwarzenbach, der unlängst in England für fast 90 Millionen Franken ein eigenes Dorf gekauft hat, und von britischen Medien als «The Swiss Tycoon» bezeichnet wird, gehören u. a. die renommierten Fünfsterne-Hotels Dolder in Zürich und Suvretta in St. Moritz. Der 59-jährige, der mit den «Black Bears» auch ein eigenes Polo-Team besitzt, stellt Steve Guerdat auf dem Gelände des erst kürzlich umgebauten Rütihof einen ganzen Stalltrakt mit geräumigen Boxen, eigenem Solarium usw. zur Verfügung. Diesen halten Heidi und Terhi, die beiden Pferdepflegerinnen von Steve Guerdat, in tadellosem Schuss, damit alles glänzt, falls unverhofft der Besitzer mit dem Helikopter auf dem Landeplatz unweit der grosszügigen Koppeln einschwebt.
In den Boxen stehen Steve Guerdats Pferde Jalisca Solier, Tresor, Kador du Valon, Pontiac, Sarranels, Querubi de Aristos, Cannon Boy, Ferrari und Touch the Diamond. Einige der jungen Hoffnungsträger, die Guerdat alle selber entdeckt und ausgebildet hat, gehören dem Reiter selber, die Toppferde sind jedoch im Besitzer von Uhrenfabrikant Yves G. Piaget, der ihm die Rückkehr in den grossen Sport ermöglicht hat. «Er ist der beste Besitzer, den sich ein Reiter wünschen kann und lässt mir sehr viel Handlungs- und Entscheidungsfreiheit», erklärt Guerdat.
 
Neben der täglichen Arbeit auch Zeit ein wenig Spass: Steve Guerdat mit seiner Pferdepflegerin Theri
 
Höhen und Tiefen
 
Das neue, sichere Zuhause, viel versprechende Pferde, die einem integeren Besitzergehören, gepaart mit Steve Guerdat grossem Talent, seinem Ehrgeiz und dem Willen, hart für seine Karriere zu arbeiten, sind ideale Rahmenbedingungen für neue sportliche Höhenflüge. "2007 war ein aufbaujahr, nun möchte ich wieder so richtig durchstarten", erklärt Guerdat. Der 182 cm grosse, etwas schlaksige junge Mann, der im Alter von 14 Jahren sein erstes S-Springen gewann und mit 17 Jahren schon Dritter bei den national Meisterschaften der Elite war, hat in seiner Karriere schon etliche Höhepunkte und Tiefschläge erlebt. Diese sind sicher auch der Grund, weshalb er gegen aussen oft verschlossen und misstrauisch wirkt. Sein Ehrgeiz ist enorm. Et stellt an sich riesengrosse Ansprüche, denen er nicht immer zu genügen vermag. Seine melancholische Ader jedoch macht ihn sympathisch, er öffnet sich, wenn er Vertrauen spürt.
Behütet aufgewachsen als jüngster Sohn von Christiane und Philippe Guerdat, dem langjährigen Schweizer Equipenreiter, war Steve von klein auf von Pferden fasziniert. "Auf dem Pferd, da fühle ich mich am lebendigsten. Ich liebe Pferde, ohne sie ist mein Leben sinnlos". Sein erster Lehrmeister Roger Bourquard und sein Vater waren für eine solide Reitausbildung besorgt. Seine ganzen Schulferien verbrachte der junge Steve jeweils bei Beat Mändli, den er noch heute als sein Vorbild bezeichnet.
Am 24. September 2002 veränderte ein Telefonanruf von Jan Tops das leben des damals 20-Jährigen. Beim bekannten holländischen Springreiter und Pferdehändler in Walkenswaard wurde Steve Guerdat erster Bereiter und sass fortan auf erstklassigen Pferden wie Tepic, Olympic, Pialotta und Tijl van het Pallieterland und feierte zahlreiche Erfolge. Erwähnt sein lediglich die EM-Team-Medaillen 2003 in Donaueschingen (Bronze) und 2005 in San Patrignano (Silber) sowie die sechsten Plätze in der Einzelwertung an der EM 2003 und am Weltcupfinal 2005 sowie der siebte an der EM 2005.
 
Abruptes ende der Ära Tops
 
Als angestellter von Jan Tops hatte Steve Guerdat ideale Voraussetzungen, um unter den Fittichen von Tops ein grosser Champion zu werden – trotzdem kam es im Februar 2006 zu einer überraschenden und sofortigen Trennung. Der Grund waren ein erseits private Probleme, andererseits hatte Steve Guerdat zunehmend Mühe mit dem ständigen Pferdewechsel, wie es in einem Handelsstall üblich ist.
Steve Guerdat heuerte beim ukrainischen Öl- und Gasmilliardär Alexander Onischenko an, dem neuen Liebhaber der ehemaligen Spitzentennisspielerin Martina Hingis. "Aber ich wollte reiten, einfach nur reiten", sagte Guerdat zu dem überraschenden Wechsel, der damals einen grossen Wirbel verursacht hatte. Er verlegte sein Zuhause von Holland nach Belgien und stand vor einer Vertragsunterzeichnung mit dem Ukrainer bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London. "Es ging um sehr viel Geld und ich hätte nur noch zu unterschreiben brauchen", Er tat es aber nicht.
Der Haken an der lukrativen Offerte war der geforderte Nationalitätenwechsel: Guerdat hätte fortan für die Ukraine reiten müssen. Dazu sagte der Frauenschwarm, der seit rund zwei Jahren mit einer bekannten amerikanischen Springreiterin liiert ist, „Nein“, was gleichbedeutend mit seiner erneuten Entlassung war. Im Frühjahr 2006 stand steve Guerdat vor dem Nichts. Der passionierte Reiter, der für seinen Sport lebt, war von einer Minute auf die andere nur noch Fussgänger. Er kehrte in die Schweiz zurück, an die Stätte, von wo er nach seinen ersten Erfolgen bei den junioren und Jungen Reitern auszog, um die Reiterwelt zu erobern: Auf die Anlage von Cornelia und Jürg Notz in Kerzers im Berner Seeland. "Ich durchschritt die Wüste, durchlebte eine schwierige Zeit und habe sehr gelitten. Plötzlich stand ich alleine da und musste mich um alles kümmern. Meine Familie, mein Papa und Bruder Yannick halfen mir dabei sehr. Und ich hatte das grosse Glück, echte Freunde zu finden, die mich unterstützen."
 
Yves Piagets Geste

An den Weltreiterspielen in Aachen war Steve Guerdat nur als Zuschauer dabei. Traurig verfolgte er die Ritte seiner einstigen Teamkollegen und Konkurrenten. Da erhielt er einen Anruf von Gian-Battista Lutta, dem Bündner Springreiter und Pferdehändler. Er hätte ein Toppferd für ihn, die Franzusen-Stute Jalisca Solier, die zwar etwas schwierig, aber hoch talentiert sei. Guerdat fuhr zurück in die Schweiz, probierte die Stute an den Pferdesporttagen in Schaffhausen aus, wo er mit ihr auf Anhieb den Grand Prix gewann. Ein neues Traumpaar hatte sich gefunden. Aber womit sollte Guerdat, der sich stets vorgenommen hatte, keine Schulden zu machen, das Geld für die Stute aufbringen? In dieser Situation sprang Yves Piaget ein. Der Uhrenfabrikant und ehemalige Präsident des CSI Genf erwarb Jalisca Solier und später auch die Pferde Pontiac, Kador du Valon und Ferrari für den jungen Reiter. "Ich bewundere die ausserordentlichen Fähigkeiten von Steve und weiss um seinen Willen und seine Seriosität. Dieses Talent durfte nicht verkümmern. Es ist weder ein Sponsoring noch ein Mäzenat. Ich unterstütze Steve privat. Es ist eine Geste des Vertrauens", liess sich der Pferdefreund damals zitieren.
 
Jalisca, das Pferd seines Lebens
 
Im April 2007 zog Steve Guerdat nach Herrliberg, wo er in einem eigenen Stalltrakt mit 12 Boxen belegt, jede 4,5 auf 5 Meter gross. "Hier wurde alles so konstruiert dass sich die Pferde wohl fühlen", erklärt Guerdat. Bei einer Stallführung mit Steve Guerdat wird das sichtbar: Tresor, der Weltcup-Dritte im vergangenen Jahr in Las Vegas, schaut neugierig auf, wenn sich ihm Menschen nähern. Ihm gegenüber ist Kador du Valon mit seinem Heu beschäftigt. Auf den vermögen den, zehnjährigen Franzosen (v. Quidam de Revel/Twist du Valon, Dritter der German Masters 2007 in Stuttgart, hält Guerdat grosse Stücke: "Er ist seit Februar 2006 in meinem Beritt und war noch sehr grün, als ich ihn entdeckt habe. Aber er hat sich enorm entwickelt und ist sehr konstant geworden. Kador ist für mich eine Option für die Olympischen Spiele in Hongkong."
Doch der Star im Stall und Guerdats erklärter Liebling ist Jalisca Solier. Mit der Franzosen-Stute gewann Steve Guerdat 2006 als erster Schweizer das Weltcup-Springen in Genf und auch 2007 war er als Sechster der beste Einheimische in dieser Prüfung, Jalisca belegt eine grosse Eckbox, von wo sie den Überblick über den gesamten Stall hat. Als einziges Pferd steht sie auf Sägespäne. "Sie ist sehr leichtfutterig und wir müssen immer aufpassen, dass sie nicht zu dick wird", lacht Guerdat und streichelt die Stute liebevoll. Zu Jalisca hat er eine besonders innige Beziehung: "Es war Liebe auf den ersten Blick. Als ich das erste Mal auf ihrem Rücken sass, wusste ich sofort: Das ist das Pferd meines Lebens. Wir verstehen uns blind. Auf die kleinste Bewegung das einen, reagiert der andere. Wir bilden ein harmonisches Paar, obwohl sie als ausgesprochene Kämpfernatur nicht leicht zu reiten ist. Sie hat einen aussergewöhnlichen Charakter und einen starken Willen. Für kein Geld der Welt würde ich sie hergeben. Als ihr Leben wegen der Kolik vor Ostern 2006 an einem dünnen Faden hing, hatte ich eine enorme angst, sie zu verlieren".
 
Auf der modernen Reitanlage in Herrliberg sind die Trainingsbedingungen optimal
 
Zufrieden in der selbständigkeit
 
Die Turbulenzen und Erlebnisse der vergangenen Jahre haben Steve Guerdat erwaschen werden lassen. Im Gespräch wirkt er reif und überlegt, strahlt offensichtliche Zufriedenheit aus. Auf dem Rütihof an der Zürcher Goldküste, praktisch auf dem Land, aber doch Nahe der Grossstadt, ist er endlich "angekommen". Er wohnt in einer hellen 31/2-Zimmer-Wohnung gleich gegenüber der Reitanlage, Mutter Christiane Guerdat hat die Wohnung geschmackvoll eingerichtet, aber den Haushalt besorgt Steve Guerdat alleine. "Ich koche fast jeden Tag für mich: Nudeln, Reis, Fleisch. Ich bin zum Selfmademan geworden!", lacht er. Die neue Selbständigkeit gefällt ihm, auch in Bezug auf seine Arbeit. "Ich möchte nie, nie mehr angestellt sein", sagt er mit Vehemenz. Auch wenn dies nun bedeutet, dass er die Verantwortung trägt für zwei Angestellte, seine beiden Pferdepflegerinnen, und auch jede Menge Papierkram zu erledigen hat. In seiner spärlichen Freizeit spielt der ehemalige Junior des FC Bassecourt leidenschaftlich gerne Tennis. "Aber ich denke", betont Steve Guerdat, "dass ich geboren bin, um zu reiten."
 
 
Text: Peter Wyrsch
Fotos: Angelika Nido, Valeria Streun, zVg

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