Stolz führt der Springreiter Steve Guerdat durch die schönen Stallungen auf dem Rütihof bei Herrliberg in Zürich: Auf der Reitanlage des vermögenden Financiers Urs E. Schwarzenbach hat der smarte Jurassier nicht nur allerbeste Trainingsbedingungen sondern nach turbulenten Zeiten auch ein neues Zuhause gefunden.
Zwar vermisst er seine Familie und seine Freunde in der Romandie ein bisschen, aber sonst hat sich Steve Guerdat, der als einer der talentiertesten Springreiter der Welt gilt, im zürcherischen Herrliberg gut ein gelebt. «Ich fühle mich wohl hier», sagt der 25-jährige und spricht mit merklicher Begeisterung über sein neues Domizil. «Die grosszügige, moderne Anlage erfüllt alle Voraussetzungen, damit ich meinen Sport erfolgreich ausüben kann.»
Urs Oberholzer, der Präsident des Schweizerischen Pferdesportverbandes SVPS, der wie Ex-Bundesrat Christoph Blocher in Herrliberg wohnt ist, hat vermittelt, als Steve Guerdat Mitte 2006 ohne Pferde, ohne Stall und ohne sportliche Perspektiven dastand und seine Karriere zu verkümmern drohte. Er stellte die Kontakte zwischen zum Zürcher Financier und leidenschaftlichen Polospieler Urs E. Schwarzenbach her. Schwarzenbach, der unlängst in England für fast 90 Millionen Franken ein eigenes Dorf gekauft hat, und von britischen Medien als «The Swiss Tycoon» bezeichnet wird, gehören u. a. die renommierten Fünfsterne-Hotels Dolder in Zürich und Suvretta in St. Moritz. Der 59-jährige, der mit den «Black Bears» auch ein eigenes Polo-Team besitzt, stellt Steve Guerdat auf dem Gelände des erst kürzlich umgebauten Rütihof einen ganzen Stalltrakt mit geräumigen Boxen, eigenem Solarium usw. zur Verfügung. Diesen halten Heidi und Terhi, die beiden Pferdepflegerinnen von Steve Guerdat, in tadellosem Schuss, damit alles glänzt, falls unverhofft der Besitzer mit dem Helikopter auf dem Landeplatz unweit der grosszügigen Koppeln einschwebt.
In den Boxen stehen Steve Guerdats Pferde Jalisca Solier, Tresor, Kador du Valon, Pontiac, Sarranels, Querubi de Aristos, Cannon Boy, Ferrari und Touch the Diamond. Einige der jungen Hoffnungsträger, die Guerdat alle selber entdeckt und ausgebildet hat, gehören dem Reiter selber, die Toppferde sind jedoch im Besitzer von Uhrenfabrikant Yves G. Piaget, der ihm die Rückkehr in den grossen Sport ermöglicht hat. «Er ist der beste Besitzer, den sich ein Reiter wünschen kann und lässt mir sehr viel Handlungs- und Entscheidungsfreiheit», erklärt Guerdat.
Neben der täglichen Arbeit auch Zeit ein wenig Spass: Steve Guerdat mit seiner Pferdepflegerin Theri |
Behütet aufgewachsen als jüngster Sohn von Christiane und Philippe Guerdat, dem langjährigen Schweizer Equipenreiter, war Steve von klein auf von Pferden fasziniert. "Auf dem Pferd, da fühle ich mich am lebendigsten. Ich liebe Pferde, ohne sie ist mein Leben sinnlos". Sein erster Lehrmeister Roger Bourquard und sein Vater waren für eine solide Reitausbildung besorgt. Seine ganzen Schulferien verbrachte der junge Steve jeweils bei Beat Mändli, den er noch heute als sein Vorbild bezeichnet.
Am 24. September 2002 veränderte ein Telefonanruf von Jan Tops das leben des damals 20-Jährigen. Beim bekannten holländischen Springreiter und Pferdehändler in Walkenswaard wurde Steve Guerdat erster Bereiter und sass fortan auf erstklassigen Pferden wie Tepic, Olympic, Pialotta und Tijl van het Pallieterland und feierte zahlreiche Erfolge. Erwähnt sein lediglich die EM-Team-Medaillen 2003 in Donaueschingen (Bronze) und 2005 in San Patrignano (Silber) sowie die sechsten Plätze in der Einzelwertung an der EM 2003 und am Weltcupfinal 2005 sowie der siebte an der EM 2005.
Steve Guerdat heuerte beim ukrainischen Öl- und Gasmilliardär Alexander Onischenko an, dem neuen Liebhaber der ehemaligen Spitzentennisspielerin Martina Hingis. "Aber ich wollte reiten, einfach nur reiten", sagte Guerdat zu dem überraschenden Wechsel, der damals einen grossen Wirbel verursacht hatte. Er verlegte sein Zuhause von Holland nach Belgien und stand vor einer Vertragsunterzeichnung mit dem Ukrainer bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London. "Es ging um sehr viel Geld und ich hätte nur noch zu unterschreiben brauchen", Er tat es aber nicht.
An den Weltreiterspielen in Aachen war Steve Guerdat nur als Zuschauer dabei. Traurig verfolgte er die Ritte seiner einstigen Teamkollegen und Konkurrenten. Da erhielt er einen Anruf von Gian-Battista Lutta, dem Bündner Springreiter und Pferdehändler. Er hätte ein Toppferd für ihn, die Franzusen-Stute Jalisca Solier, die zwar etwas schwierig, aber hoch talentiert sei. Guerdat fuhr zurück in die Schweiz, probierte die Stute an den Pferdesporttagen in Schaffhausen aus, wo er mit ihr auf Anhieb den Grand Prix gewann. Ein neues Traumpaar hatte sich gefunden. Aber womit sollte Guerdat, der sich stets vorgenommen hatte, keine Schulden zu machen, das Geld für die Stute aufbringen? In dieser Situation sprang Yves Piaget ein. Der Uhrenfabrikant und ehemalige Präsident des CSI Genf erwarb Jalisca Solier und später auch die Pferde Pontiac, Kador du Valon und Ferrari für den jungen Reiter. "Ich bewundere die ausserordentlichen Fähigkeiten von Steve und weiss um seinen Willen und seine Seriosität. Dieses Talent durfte nicht verkümmern. Es ist weder ein Sponsoring noch ein Mäzenat. Ich unterstütze Steve privat. Es ist eine Geste des Vertrauens", liess sich der Pferdefreund damals zitieren.
Doch der Star im Stall und Guerdats erklärter Liebling ist Jalisca Solier. Mit der Franzosen-Stute gewann Steve Guerdat 2006 als erster Schweizer das Weltcup-Springen in Genf und auch 2007 war er als Sechster der beste Einheimische in dieser Prüfung, Jalisca belegt eine grosse Eckbox, von wo sie den Überblick über den gesamten Stall hat. Als einziges Pferd steht sie auf Sägespäne. "Sie ist sehr leichtfutterig und wir müssen immer aufpassen, dass sie nicht zu dick wird", lacht Guerdat und streichelt die Stute liebevoll. Zu Jalisca hat er eine besonders innige Beziehung: "Es war Liebe auf den ersten Blick. Als ich das erste Mal auf ihrem Rücken sass, wusste ich sofort: Das ist das Pferd meines Lebens. Wir verstehen uns blind. Auf die kleinste Bewegung das einen, reagiert der andere. Wir bilden ein harmonisches Paar, obwohl sie als ausgesprochene Kämpfernatur nicht leicht zu reiten ist. Sie hat einen aussergewöhnlichen Charakter und einen starken Willen. Für kein Geld der Welt würde ich sie hergeben. Als ihr Leben wegen der Kolik vor Ostern 2006 an einem dünnen Faden hing, hatte ich eine enorme angst, sie zu verlieren".